Noch im Herbst 2018 wurde vor einem niederschlagsarmen Winter mit katastrophalen Folgen für die Land- und Forstwirtschaft gewarnt. Seit Jahrzehnten sinke nämlich die Schneemenge, der Winter würde sogar in den bayerischen Bergen schrumpfen, man müsse Abschied vom weißen Winter nehmen und befinde sich mitten im Treibhaus, verkündete der Bayerische Rundfunk ungewohnt reißerisch auf seiner Webseite.
Im Januar kam es jedoch anders als prognostiziert: Heftige Schneefälle in den nördlichen Staulagen der Berge und dem südlichen Bayerischen Wald brachten gewaltige Schneemengen. Eine mediale Schneekatastrophe brach plötzlich aus. Es gebe Horror-Aussichten für den Winter. In den Alpen drohe ein noch nie dagewesenes Schneechaos, lautete eine von vielen Wetterprognosen.
Tatsächlich führten der heftige Wintereinbruch und die lang anhaltenden Schneefälle zu großen Problemen. Viele Straßen und Bahnlinien mussten wegen Schneebruch teils länger gesperrt werden. Massive Verkehrsbehinderungen waren die Folge. “Bäume mit 80 Zentimetern Durchmesser knicken hier unter der Schneelast um wie Streichhölzer“ zitierte der Münchner Merkur.
Rasch trat auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) auf den Plan und schloss einen Zusammenhang zwischen den aktuellen Schneemassen in den Alpen und dem Klimawandel nicht aus, berichtete die Sächsische Zeitung.
Zumindest bei Schneebruch täuschen sich die Klimafolgenforscher gewaltig. Sowohl in den von Menschen unbeeinflussten Wäldern, den so genannten Primärwäldern, als auch in den Wirtschaftswäldern (Sekundärwälder) ist Schneebruch, neben Borkenkäferbefall oder Windwürfen, eine natürliches und in unregelmäßigen Abständen wiederkehrendes Ereignis. Schneebruch dient – wie Sturm, Borkenkäfer und Waldbrand – der natürlichen Erneuerung des Waldes. Er schafft von Natur aus vielfältige Strukturen und Habitate und fördert in den Wäldern eine reiche biologische Vielfalt.
Seit dem Ende der letzten Eiszeit wanderte die Fichte (Picea abies) wieder in den Alpen- und Mittelgebirgsraum zurück und passte sich dem schneereichen, rauen Klima an. In tausenden Jahren der Evolution entstanden schmalkronige, nahezu säulenförmige Baumformen, auf deren Ästen sich die großen Schneelasten nicht lange halten konnten und rasch zu Boden fielen. Schneebruch war bei diesen autochthonen Genotypen kein großes Thema.
Der Schneebruch wird in den Alpen und Mittelgebirgen nicht durch den Klimawandel, sondern durch den seit langer Zeit stattfindenden Anbau standortsuntauglicher Fichten aus anderen Herkunftslagen stark verschärft. Ihre Baumkronen sind breit und ausladend. Auf ihnen sammelt sich viel Schnee, bis hin zum unausweichlichen Bruch des Baumes an. Die Anpflanzungen der nicht heimischen Genotypen veränderte auch die genetische Zusammensetzung der natürlichen Fichtenpopulation in den Mittel- und Hochgebirgen.
Der Mensch erkannte die Bedeutung von Standort und Klima und die wichtigen genetischen Zusammenhänge viel zu spät. Erst auf Drängen von Forstgenetikern und Forstwissenschaftlern beschloss 1969 der Gesetzgeber ein modernes Gesetz über forstliches Saat- und Pflanzgut, das mehrmals überarbeitet wurde und bei der Gewinnung und dem Verkauf von Samen und Jungpflanzen verpflichtend anzuwenden ist.
Wir dürfen gespannt sein, was bei der kommenden Schneeschmelze alles berichtet werden wird. Viele Auguren werden uns in Sondersendungen und mit reißerischen Zeitungsüberschriften den Klimawandel erklären. Relotius lässt garantiert wieder grüßen.