Bundeswaldgesetz 2024: Der Berg kreißte und gebar eine Maus

Die Erwartungen vieler Waldnaturschützer in das neue Waldgesetz 2024 waren groß. Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft enttäuscht jedoch. Er wird weder der enormen Bedeutung des Waldes, noch den gesellschaftlichen Anforderungen an eine schonende, naturnahe Waldbewirtschaftung gerecht. Trotz einiger Verbesserungen und positiver Ansätze bleibt das Gesetz hinter den Erwartungen zurück.

Das Bundeswaldgesetz beginnt im § 1 hoffnungsvoll: Der Wald ist in seiner Flächenausdehnung zu erhalten, erforderlichenfalls zu mehren sowie vor weiterer Zerschneidung und Fragmentierung zu bewahren. Die Verinselung von Wäldern ist zu vermeiden. Alles Ziele, die für den Waldnaturschutz von großer Bedeutung sind.

Ebenso erfreulich geht es im § 4 weiter, der neue und wichtige Schutzgüter des Waldes beschreibt, darunter die waldtypische Biodiversität, die Stille des Waldes, die Kühlung der Landschaft und das Landschaftsbild. Man darf gespannt sein, wie sich diese per Gesetz neu bestimmten Schutzgüter künftig mit dem Bau von Wind-Industriegebieten und anderen infrastrukturellen Eingriffen in Wäldern vereinbaren lassen.

Ernüchterung setzt ein,  wenn man die äußerst langatmigen und bürokratisch beschriebenen Einschränkungen von Kahlschlägen im § 15 liest. Es werden viele Ausnahmen zugelassen, die ab einer Größe von mehr als einem Hektar vor Ausführung bei der zuständigen Behörde schriftlich beantragt werden müssen und vermutlich auch von den Behörden genehmigt werden.

§ 18, der sich mit Waldnaturschutz, Wildmanagement und Biodiversität befasst, sieht vor, ausreichende Lebensräume und Habitatstrukturen im Wald zu erhalten, sowie Biotopbäume und qualitatives Totholz zu fördern.  Wunderbar und erfreulich! Jedoch fehlen konkrete Vorgaben, wie beispielsweise die in der Praxis bewährten Naturschutzstandards für Waldbesitzer.

Im § 19 wird der Schutz des Waldbodens thematisiert, ohne jedoch näher darauf einzugehen, wie dieser Schutz tatsächlich umgesetzt werden soll. Eindeutig verbietet er im Absatz 3 die Ganzbaumnutzung, die Rodung von Wurzelstöcken und die Entnahme von Stubben und Wurzeltellern. Das ist gut so und wichtig, weil dieser Passus mit dazu beiträgt, Böden zu schützen und die Waldstruktur zu verbessern, was ein nicht zu unterschätzender Beitrag für viele Artengruppen sein kann.

Die Erschließung des Waldes und das Befahren der Waldböden wird im § 21 geregelt. Der Paragraph verbietet glasklar, den Wald abseits eines dauerhaften Feinerschließungssystems – also von sogenannten Rückegassen und Rückewegen – flächig zu befahren. Eine wichtige und lange überfällige Verbesserung!

Vage formuliert ist hingegen der § 22 bezüglich des Schutzes des Wasserhaushalts. Der Paragraph sieht vor, die Wasserspeicher- und Wasserhaltekapazitäten des Waldbodens zu erhalten und nach Möglichkeit zu verbessern. Unklare, schwammige Formulierungen lassen jedoch zu viele Spielräume für spätere Interpretationen und Sanktionen.

Ähnlich nebulös wird im § 24 der Waldbrandschutz abgehandelt. Betreiber von Windkraftanlagen sollen künftig im Rahmen des Zumutbaren vorbeugende Maßnahmen zum Schutz des eigenen Waldes und der umliegenden Wälder ergreifen, was als zumutbar gilt, wird aber weggelassen.

Neu aufgenommen wurde der § 74 zum wichtigen Biodiversitäts-Monitoring im Wald. Das ist erfreulich, trotzdem bleibt der Paragraph ein Herumgeeiere, weil er die Erfassung ausgewählter Arten und ihrer Waldhabitate zwar vorsieht, ohne jedoch im Detail darauf einzugehen.

Fazit:

Trotz einiger Verbesserungen und positiver Ansätze bleibt das Gesetz  hinter den Erwartungen zurück. Es lässt zu viel Spielraum für Interpretationen, beinhaltet schwammige Formulierungen und vermeidet klare Vorgaben zum Walderhalt und zum Schutz der biologischen Vielfalt unserer Wälder. Das von Cem Özdemir  geführte Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft verpasste die Chance, ein zukunftsweisendes Bundeswaldgesetz, das alle Anforderungen an eine Waldbewirtschaftung konkretisiert, auszuarbeiten. Der grüne Berg kreißte lange und gebar ein Mäuschen!

Zum Autor:

Johannes Bradtka ist seit 2015 als Lehrbeauftragter für das Modul „Flechten und Waldnaturschutz“ an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Weihenstephan, Fakultät Wald und Forstwirtschaft, tätig.

Er leitet ein Büro für flechtenkundliche und waldökologische Untersuchungen und ist seit 2009 ehrenamtlicher Vorsitzender des  Vereins für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität e. V. (VLAB).

 

Ein Gedanke zu „Bundeswaldgesetz 2024: Der Berg kreißte und gebar eine Maus“

  1. Ich bin selbst Waldbesitzer und gehe mit Ihnen weitestgehend d’accord. Vieles von dem, was Sie als „mangelhaft“ beschreiben, ist längst Usus bei der Waldbewirtschaftung. S. PEFC Standards.
    Viel wichtiger wäre es der Zersiedelung durch WEA, die touristische Freizeitnutzung (MTB) und dem Flächenfraß vorzubeugen.

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