Salzburger Klimagespräche

 

Auch die Salzburger Festspiele diskutieren übers Klima. Das Foto zeigt die österreichische Festspielmetropole bei Nacht mit hohem Energiebedarf.

Letztes Jahr hatte es bei den Salzburger Festspielen durchs Dach geregnet. Bei einem Konzert des russischen Meisterpianisten Grigori Sokolov begann es auf einmal, ins Auditorium des Großen Festspielhauses zu tropfen. Ich habe in dieser Kolumne darüber berichtet. Das Malheur, verursacht durch ein ungewöhnlich heftiges Gewitter mit Platzregen, war schnell behoben. Hernach sprach man davon, dass der Klimawandel nun wohl auch die Festspiele erreicht hätten, das größte und nobelste Musik- und Theaterfestival der Welt.

Dieses Jahr blieb es bislang glücklicherweise trocken, kein neuerlicher Wassereinbruch in den Spielstätten dämpfte die Festspielfreude. Sogar die „Jedermann“-Premiere konnte draußen auf dem Domplatz stattfinden, nachdem sie in den beiden Jahren zuvor wegen Regens ins Große Festspielhaus verlegt worden war. Und auf der Perner-Insel in Hallein, der Off-Spielstätte der Festspiele, musste das Dach der unklimatisierten alten Salzsiedehalle einmal nicht – wie bei längeren Hitzewellen unabdingbar – von der Feuerwehr mit Wasser gekühlt werden.

Trotzdem machte sich der Klimawandel auch dieses Jahr bemerkbar. Und zwar drinnen, auf der Bühne. In der Felsenreitschule hatte US-Regisseur Peter Sellars Mozarts Jugendoper „Idomeneo“ als Ökodrama in Szene gesetzt. Sellars durfte auch die Festrede zur Festspieleröffnung halten, wo er vermutlich erstmals in der Festspielgeschichte den Raubbau an der Natur und den Klimawandel thematisierte.

Und im Programmheft kamen Klimagretel Thunberg und die Fridays for Future zu Wort. „Beim Klimaschutz geht es um mehr. Um alles, sozusagen. Die Zukunft unserer Generation ist nicht Verhandlungssache, bei der das Wirtschaftswachstum gegen Klimaschutz abgewägt werden kann“, wird Luisa Neubauer, FFF-Frontfrau aus Deutschland, zitiert. Muss es nicht „abgewogen“ heißen? Ich kann mich irren. Die anwesenden Großkopfeten, darunter der (ehemals grüne) österreichische Bundespräsident Alexander von der Bellen, nickten eifrig dazu.

In Mozarts „Idomeneo“ geht es um den griechischen König Idomeneo, der bei der Rückkehr vom Trojanischen Krieg mit seinem Schiff in einen Sturm gerät und dem Meeresgott Poseidon für den Überlebensfall ein Gelübde macht. Er wolle den ersten Menschen, den er auf dem Festland begegnet, Poseidon opfern. Das ist nun dummerwiese der eigene Sohn. Der König bringt es erwartungsgemäß nicht übers Herz, den Filius zu meucheln, was verständlicherweise Poseidon in Rage bringt. Der wiederum schickt ein Seeungeheuer, dass das Reich des wortbrüchigen Königs verwüsten soll. Nun, am Ende geht doch alles gut aus. Poseidon signalisiert Verhandlungsbereitschaft, wenn der König zugunsten seines Sohne abdanke, der wiederum eine trojanische Flüchtlingsprinzessin zur Frau nehmen darf. So geschieht es.

Es ist also alles drin für ein Nachhaltigkeitsdrama: Sturm mit Starkregen, Klimaflüchtlinge, ein weißer, alter, heterosexueller König, der die Welt ins ökologische Unglück gestürzt hat und eine Jugend, die alles  besser machen will. Auf der Bühne gibt es ansprechend gestylten Plastikmüll, dazu im Programmheft Fotos von marinen Müllstrudeln, nicht zu verwechseln mit dem Original Wiener Apfelstrudel im Cafe Tomaselli. Oder im Cafe Bazar, wo der Teig noch dünner ist. Ein Gedicht!

Sellars ganze Inszenierung kommt ausgenommen geschmackvoll daher, so geschmackvoll wie Mozarts schöne Musik, dirigiert vom hoch angesagten, wie immer mit rot geschnürten Springerstiefel und neuem Ohrschmuck dekorierten Klassikpunk Teodor Currentzis, und die Speisen im frisch renovierten Hotel Goldener Hirsch, wohin die Prominenz nach dem Kunstgenuss zu strömen pflegt. So schön kann Klimawandel sein.

Während der „Jedermann“-Premiere war der Lärm vom nahen Salzburger Flughafen übrigens manchmal so stark, dass man Tobias Moretti nicht verstehen konnte, wie er Hugo von Hofmannsthals Knittelverse deklamierte. Dort herrscht zu Festspielzeiten immer Hochbetrieb, weshalb man gerade einen schönen, neuen Tower gebaut hat.

Während einer anderen Aufführung belauschte ich ein Gespräch meiner Sitznachbarn, die gerade einen Geschäftsfreund aus Asien erwarteten, der bald mit seinem Privatjet nach Salzburg einzufliegen gedenke. Hoffentlich werde ihm der Jetlag nicht den Opernabend verderben, meinte die Leute, Österreicher, Industrie oder Hochfinanz. Danach sollte der Gast zum Weltkulturerbe Hallstadt kutschiert werden, wie ich lauschenderweise erfuhr, und als Krönung dieser Reise noch auf eine Alm, wo „a schener Saibling“ auf ihn warten sollte. Aus regionaler Zucht, denke ich mal.

Eine Berliner Professorengattin, mit der ich in einer Pause plauderte, sehr nett, kultiviert, betucht, klagte darüber, dass Air Berlin nicht mehr fliege und man jetzt so schwer an einem Tag nach Salzburg ins Konzert und wieder zurück in die Hauptstadt komme.

Was soll man da noch sagen…

 

 

 

Ein Gedanke zu „Salzburger Klimagespräche“

  1. Die kultivierte und wohl nicht unvermögende Dame hat mit der Flugverbindung nach Berlin doch nun wirkliches alles kurz auf den Nenner gebracht.
    Es geht immer mehr Leuten gnadenlos auf den Nerv,dass geradezu allgegenwärtig das Klimathema in allen möglichen und meistens eher unmöglichen Formen heruntergeleiert wird.Das erinnert schon an auswüchse in totalitären Systemen.

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