Am 5. Juni 2024 wurde André Bähler, Chef des Wasserverbandes Strausberg-Erkner, mit der Enoch-zu-Guttenberg-Medaille geehrt. Hier die Laudatio von Georg Etscheit.
Sehr geehrter Preisträger, lieber André Bähler, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Kommunalpolitik, lieber Johannes Bradtka, sehr geehrte Medienschaffende, werte Anwesende,
als die Enoch zu Guttenberg-Medaille vor zwei Jahren erstmals verliehen wurde, und zwar an den früheren bayerischen Ministerpräsidenten und Bundesminister, Horst Seehofer, konnte die Feierstunde mit freundlicher Unterstützung von Philipp zu Guttenberg, Hausherr auf Schloss Guttenberg, im dortigen Ahnensaal veranstaltet werden. Der Geist des 2018 verstorbenen großen Dirigenten und Umweltschützers wehte noch durch diese Hallen und es war nicht nötig, dem Auditorium nahezubringen, um wen es sich bei jenem Mann handelt, nach dem unsere Medaille benannt ist.
Hier in Deutschlands Osten war Enoch zu Guttenberg gewiss kein Unbekannter, schließlich hatte er doch eine Zeitlang als Gastdirigent beim MDR-Symphonieorchester in Leipzig gewirkt und war zusammen mit der Klangverwaltung und der Chorgemeinschaft Neubeuern auch in der Berliner Philharmonie und in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche aufgetreten. Doch das Zentrum seines musikalischen Schaffens lag in Süddeutschland, genauer gesagt in München sowie in dem beschaulichen Marktflecken Neubeuern am Inn zwischen Rosenheim und Kufstein. Und natürlich auf der Insel Herrenchiemsee. Gestatten Sie mir deshalb zunächst ein paar Anmerkungen zu Guttenbergs facettenreichem Leben und Wirken.
Georg Enoch Robert Prosper Philipp Franz Karl Theodor Maria Heinrich Johannes Luitpold Hartmann Gundeloh Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg war der Abkömmling eines alten fränkischen Adelsgeschlechts. Sein Vater war Karl Theodor Freiherr zu Guttenberg – der Vorname schreibt sich ohne Bindestrich, anders als der gleichlautende Vorname von Enochs Sohn Karl-Theodor, genannt KT, dem Wirtschafts- und Bundesverteidigungsminister unter Angela Merkel. Er, der Vater, diente Konrad Adenauer als Staatssekretär und war eine prägende Persönlichkeit der bayerischen CSU.
Schon in früher Kindheit entdeckte Enoch seine Liebe zur Musik und setzte gegen den erklärten Willen seines Vaters seinen Wunsch durch, Musiker zu werden. Er studierte, zunächst heimlich Komposition und Dirigieren und ließ sich dann als Chorleiter einer dörflichen Liedertafel verpflichten, in jenem Neubeuern, dessen Name später untrennbar mit Guttenbergs sich rasch mehrendem Ruhm verbunden sein wollte. Er formte das Ensemble innerhalb kürzester Zeit zu einem der bedeutendsten Konzertchöre Deutschlands, später kam noch das ganz auf ihn und seine musikalischen Visionen zugeschnittene Orchester der Klangverwaltung hinzu.
Gemeinsam eroberte man die Konzertsäle Bayerns, Deutschlands und Österreichs und absolvierte umjubelte Tourneen durch Europa, Nord- und Südamerika und Asien. Viele Konzerte, vor allem Aufführungen von Johann Sebastian Bachs Passionen, Verdis Requiem und Beethovens Missa solemnis, verschlugen dem Publikum und den Musikkritikern schier die Sprache ob ihrer emotionalen Intensität, für die Gutenberg fast schon berühmt-berüchtigt war.
Doch in Guttenbergs Brust schlugen zwei Herzen, eines, heiß, fordernd, kompromisslos für die Musik, das andere, ebenso heiß und kompromisslos für den Umwelt- und Naturschutz. Zusammen mit seinem langjährigen Freund, dem Naturschützer Hubert Weinzierl, dem Zoologen Bernhard Grzimek, dem Fernsehjournalisten Horst Stern und dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz hob er den Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) aus der Taufe, den er 2012 im Streit wieder verließ, weil er die auch vom BUND massiv propagierte Überbauung des Landes mit Zehntausenden von Windkraftwerken im Zuge der sogenannten Energiewende nicht mehr mittragen wollte.
„Verblendet und zynisch scheinen mittlerweile ausgerechnet jene, die uns vor der Klimakatastrophe…. retten wollen, und die uns stattdessen unsere letzten menschlichen, natürlichen, nicht urbanisierten Lebensräume in monströse Industriegebiete verwandeln“, schrieb er seinen einstigen Mitstreitern ins Stammbuch. Dieser spektakuläre Akt des Protestes mündete schließlich in die Gründung des Vereins für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität (VLAB), der nicht zuletzt ein Gegenwicht zu der weitgehend kritiklosen Unterstützung der Energiewendepolitik durch die traditionellen Umweltverbände bilden sollte. In diesem Herbst feiert der VLAB sein 15-jähriges Bestehen.
Nun möchte ich Sie, verehrte Zuhörer, nicht länger mit biografischen Details behelligen, schließlich soll es ja in erster Linie um unseren Preisträger gehen. Doch bevor ich nun wirklich, salopp formuliert, auf die Zielgerade einbiege, noch zwei kleine Episoden aus Guttenbergs Leben, die direkt mit jenem Element zu tun haben, das uns hier heute und André Bähler im Besonderen bewegt: Wasser. Seinen Schutz, seine Bereitstellung, seine Aufbereitung und Verteilung als essentielles Lebensmittel und natürlich auch als unersetzliches Medium industrieller Prozesse, denen wir in der trotz unermüdlicher Anstrengungen unseres Deindustrialisierungsministers Robert Habeck immer noch viertgrößten Industrienation der Welt einen wesentlichen Teil unseres Wohlstandes verdanken. Nicht zu vergessen natürlich die fach- und umweltgerechte Entsorgung von Abwässern.
Die erste Anekdote: Guttenberg pflegte vor jedem seiner Konzerte ein eiskaltes Bad zu nehmen. Auch wenn die Zeit bis zum Auftritt drängte, das Bad musste sein und wurde immer von einem seiner Bediensteten fristgerecht eingelassen, sodass der Maestro nur noch untertauchen musste. Einmal in Anwesenheit eines Fernsehteams des Bayerischen Rundfunks. Ob splitterfasernackt oder nur mit einer Bade- bzw. Unterhose bekleidet ist nicht bekannt.
Die zweite Anekdote: Bei einem Urlaub an der türkischen Küste hatte der Baron einmal alle Bedenken gegen unnötigen CO2-Ausstoß über Bord geworfen und einen Jetski bestiegen, mit dem er davonbrauste und irgendwann hinter dem Horizont verschwand. Bei den am Strand Zurückgebliebenen wuchs die Sorge, bis Guttenberg auf der Wasseroberfläche endlich als erst kleiner, dann immer größer werdender Punkt sichtbar wurde, sein leer gefahrener Jetski im Schlepptau eines altersschwachen Fischerbootes. Die von Guttenberg für seine Rettung gezahlte Prämie ermöglichte es dem Fischer, ein neues, größeres Boot zu kaufen, um, wie ein Zeuge der Begebenheit ironisch formulierte, „fortan die Küste nach benzinlos dahin dümpelnden Dirigenten mit Jetskis abzusuchen“.
Die zweite Episode zeigt, dass Guttenberg zeitlebens und in fast allen Lebenszusammenhängen über großen Mut verfügte, der zuweilen ins Hasardhafte abzugleiten drohte. Hasardeurtum wird man unserem Preisträger, André Bähler, sicher nicht attestieren wollen. Aber Mut und Standhaftigkeit in hohem Maße. Schließlich bot er einem Multimilliardär die Stirn, der einmal als Lichtgestalt der Elektromobilität und Ikone des Klimaschutzes galt, von Politik und Medien hofiert und mit Millionen an Fördergeldern überschüttet wurde. Und für dessen Fabrik man bereit war, geltendes Umwelt- und Naturschutzrecht, zurückhaltend formuliert, überaus großzügigen auszulegen. Unvorstellbar, einem Mann wie Elon Musk und seiner „Gigafactory“ Steine in den Weg zu legen.
Dabei ging und geht es André Bähler einzig und allein darum, die Trinkwasserversorgung der ihm anvertrauten Region Strausberg-Erkner, wie er selbst sagt, „gegen kurzsichtige, politisch motivierte Angriffe zu schützen“. Eine Region, die auf einer Fläche von 552 Quadratkilometern drei Städten und 13 Gemeinden umfasst. Nicht weniger als 170 000 Menschen beliefert der Wasserverband mit dem “kostbaren Nass”. Das ist aktive Daseinsvorsorge und Nachhaltigkeit par excellence. Dabei handelt es sich um eine Region, die, und das wissen Sie hier alle besser als ich, der aus dem wasserreichen Voralpenland stammt, für ihre Trockenheit bekannt ist. Die Mark Brandenburg, des „Heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse“ mit ihren kargen, wenig ertragreichen, hauptsächlich aus Sanden und Kiesen bestehenden Böden, und einem grenzkontinentalen Klima, das im Zuge von Klimaveränderungen in Zukunft noch trockener werden könnte.
Um André Bählers Verdienste, seinen Mut und seine Standhaftigkeit, gepaart mit dem sachlichen Verstand und dem Fachwissen eines Diplomingenieurs für Umwelttechnik, noch profunder würdigen zu können, sei daran erinnern, welcher Sturm der Entrüstung dem VLAB im Februar 2020 entgegenwehte, als bekannt wurde, dass wir Klage gegen die umweltrechtliche Genehmigung der Tesla-Fabrik eingereicht und einen Rodungsstopp beantragt hatten. Grund waren schon damals unsere Bedenken wegen eines drohenden, schweren Eingriffs in den Wasserhaushalt der betroffenen Gegend. Auch die Rodung eines großen Kiefernwaldes, eines wichtigen Kohledioxidspeichers, sahen wir kritisch. Wir stellten uns auch schützend vor die in Brandenburg häufig vorkommende Kiefer. Unsere Gegner meinten, diese Bäume seien hier vom Menschen künstlich angebaut worden und daher nicht schützenswert, was vollkommener Unfug ist, weil die Kiefer sehr wohl zu den autochthonen brandenburgischen Baumarten gehört.
Alsbald liefen bei unserem Vorsitzenden Johannes Bradtka die Telefone heiß. Journalisten mehr oder weniger aus der ganzen Welt wollten wissen, wie es sein könne, dass ein „kleiner Verein aus der bayerischen Oberpfalz“, gegen das brandenburgische Leuchtturmprojekt zu Feld ziehe, das doch nur Segen bringe? Arbeitsplätze vor allem und damit mehr Wohlstand in einer strukturschwachen Region. Und alsbald spekulierten Politiker aller Couleur darüber, ob hier nicht das Klagerecht der Umweltverbände missbraucht werde.
Der große Showdown blieb aus, weil Tesla schließlich weiterbauen und seine Fabrik bei Grünheide, wenn auch mit etwas Verspätung, in Betrieb nehmen konnte. Doch André Bähler blieb am Ball und legte weiter den Finger in die Wunde. Als bekannt wurde, das Tesla wiederholt Abwasser-Grenzwerte überschritten hatte, pochte er auf Vertragstreue. Die vereinbarten Grenzwerte müssten eingehalten werden. Der von ihm geführte Wasserverband drohte sogar, Tesla von der Abwasserentsorgung abzukoppeln, was einen sofortigen Produktionsstopp bedeutet hätte. Schließlich sprach sich Bähler gegen eine Erweiterung der Fabrik in Grünheide aus, wobei mittlerweile angesichts der wirtschaftlichen Probleme des US-Konzerns fraglich ist, ob es überhaupt dazu kommen wird.
Immer wieder wurde André Bähler vorgeworfen, er operiere mit falschen Zahlen, liebe das Rampenlicht und wolle sich nur wichtigmachen. Mit seiner Halsstarrigkeit schade er dem Wirtschaftsstandort Brandenburg und der deutschen Wirtschaft insgesamt, konnte man in einer Online-Petition lesen, in der zur sofortigen „Entfernung“ des „Tesla-Saboteurs“ aufgerufen wurde. Das grenzte schon fast an Rufmord.
Auch die Landespolitik wollte Bähler nicht aus der Pflicht lassen. Sie habe bei der Ansiedlung des Unternehmens versäumt, die Wasserversorgung der gesamten Region im Blick zu haben, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Das Land agiert als Sprecher von Tesla und gegen die Interessen seiner Bevölkerung, das ist schwer vermittelbar“. Und noch folgendes: Der Verband werde wiederholt in eine politische Ecke gedrängt, in die er als Versorger nicht gehöre.
Harter Tobak. Freunde macht man sich mit solchen Ansagen nicht. Und so überrascht es nicht, dass es Versuche gab, Bähler als Verbandsvorsteher abzulösen. Bislang glücklicherweise erfolglos. Auch Enoch zu Guttenberg übrigens machte sich keine Freunde, nicht mit seinen oft radikalen Ansätzen musikalischer Interpretation und schon gar nicht mit seinen wütenden Pamphleten gegen die Windkraft und den Amoklauf der Energiewender. Doch er war finanziell unabhängig und musste sich keinen Wahlen stellen, die er hätte verlieren können. Das schmälert nicht Mut und Verdienst. Doch noch mehr Mut erfordert es, wenn man mit seiner Haltung möglicherweise Kopf und Kragen riskiert, zumindest wirtschaftlich.
Natürlich beschäftigt sich André Bähler nicht nur mit dem etwas sinistren Tesla-Konzern. „Hier beim Wasserverband erleben wir ihn als einen Menschen, der mit Leidenschaft und Herzblut für die Zukunft des Verbandes und der sicheren Wasserversorgung der Menschen im Verbandsgebiet des WSE eintritt“, schrieb man mir im Vorfeld zu dieser Veranstaltung. Er sei ein Vordenker und Visionär und rege auch die Menschen in seinem Umfeld dazu an, über sich hinauszuwachsen und immer einen Schritt weiter zu denken. Seine innovativen und teils außergewöhnlichen Ideen umzusetzen, stelle die Ingenieure des Wasserverbandes manchmal vor einige Herausforderungen. Nun ja, ich glaube, mit Verlaub, André Bähler ist ein ziemlich harter Knochen, an dem manchmal nicht nur der Herr aus Kalifornien, sondern auch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beißen haben.
Mittlerweile hat sich, wie Sie alle wissen, der Wind ins Sachen Elon Musk und Elektromobilität gedreht. Aus der einstigen Ikone ist der böse Bube geworden, dessen Fabrik nun von Aktivisten belagert wird, die sich nur vordergründig für den Klimaschutz stark machen – eigentlich wollen sie den Kapitalismus bekämpfen. Auch die gehypten Elektroautos haben viel von ihrem Nimbus verloren. Die Verkaufszahlen sinken, Tesla muss Tausende von Mitarbeitern entlassen, auch in Grünheide, und immer mehr Menschen glauben nicht mehr daran, dass auf diese Weise der Planet zu retten sei. „Kann Tesla überleben“, fragt schon der Nachrichtensender ntv. Zumal viele der teuren und, wie wir wissen, mitnichten umweltfreundlichen Batteriekutschen, nur dazu bestimmt sind, sich ökologisch dünkenden, gut verdienenden Großstädtern als Zweit- oder Drittwagen zu einem guten Gewissen zu verhelfen.
Gewiss, das sind keine Fragen, mit denen sich ein Ingenieur und Chef eines Wasserverbandes auseinanderzusetzen hat, zumindest nicht in seiner beruflichen Funktion. Aber am Ende wird man doch die bange Frage stellen müssen, ob das alles vielleicht nur ein Strohfeuer war. Nicht auszuschließen, dass Elon Musk irgendwann die Lust verliert an seinem deutschen Engagement, die Aktivisten in ihren Baumhäusern links liegen lässt, und den Standort Grünheide aufgibt. Der unermesslich reiche US-Unternehmer mit dem angeblich untrüglichen Sinn für Marketing könnte das sicher verschmerzen. Doch Milliarden wären in den märkischen Sand gesetzt, Millionen an Fördermitteln aus öffentlichen Quellen in den Wind geschossen, ohne Not Wälder abgeholzt und die Wasserversorgung Tausender von Bürgern in Gefahr gebracht worden. Es wäre ein Desaster sondergleichen.
Hoffen wir nicht, dass es so kommt. Und danken wir André Bähler, dass er sich schützend vor jenes Gut gestellt hat, ohne das kein Leben auf diesem Planeten möglich ist: Wasser!
Ich danke Ihnen!