Beschleunigungsgesetze: Der Naturschutz in Deutschland steht auf dem Spiel

Deutschland gehört mit einer Bevölkerungsdichte von rund 230 Einwohner pro Quadratkilometer (Zum Vergleich: Finnland 16, Rumänien 80 Einwohner pro Quadratkilometer) zu den am dichtest besiedelten Ländern Europas. Viele Flächen sind bereits überbaut, versiegelt und ökologisch stark verarmt.  Die Wälder wurden grundlegend forstlich verändert, ein Großteil der Gewässer kanalisiert und Moore und Sümpfe trocken gelegt.  Vielerorts bestimmen landwirtschaftliche Monokulturen, Industrie- und Wohngebiete, Verkehrswege und Koniferen-Forste das Landschaftsbild. Seit einigen Jahren führt der verstärkte Ausbau von Fotovoltaik-Anlagen und Windrädern zu einem weiteren dramatischen Verlust und zur Fragmentierung von Landschaften.

Angesichts dieser Entwicklung müsste – wie zu erwarten wäre – der Naturschutz deutlich gestärkt werden. Das Gegenteil ist leider der Fall: Nicht wenige Politiker sehen, unterstützt durch Wirtschafts- und Lobbyverbände, im Naturschutz ein Hemmnis für die aus ihrer Sicht notwendige wirtschaftlich-industrielle Entwicklung und für die “Energiewende”.

Abbau des Naturschutzrechts

In Folge dessen begann man ab dem Jahr 2020, nahezu parteiübergreifend und auf Drängen unterschiedlicher Lobbyverbände, mit einer bisher nie dagewesenen “Beschleunigungsgesetzgebung”. Seitdem werden die Rechte der Natur verwässert und die Beteiligungsmöglichkeiten von Naturschützern und Bürgern geschmälert, nur um den Ausbau von Verkehrswegen, Industriegebieten, Stromleitungen oder Windkraftanlagen unkompliziert und weitgehend widerstandsfrei  durchzusetzen. Hierzu eine kurze chronologische Übersicht:

  • 31. Januar 2020: Gesetz zur weiteren Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich
  • 14. Mai 2020: Planungssicherstellungsgesetz
  • 05. November 2020: Investitionsbeschleunigungsgesetz
  • 07. Juli 2022: “Osterpaket”: Änderung des EEG und BNatSchG, Beschluss des ”Wind-an-Land-Gesetz”
  • 19. Dezember 2022: EU-Notfallverordnung
  • 10. Februar 2023: VwGO-Novelle

Natur- und Artenschutz wichtiger denn je

Wegen der zunehmenden Bevölkerungsdichte und den damit einhergehenden landschaftlichen Veränderungen ist der Natur- und Artenschutz in Deutschland von zentraler Bedeutung und wichtiger denn je. Es müssten viele große und kleine Schutzgebiete sowie Ausbreitungskorridore für Arten geschaffen werden, um die noch verbliebenen intakten Lebensräume zu verbessern und zu vernetzen. Nur so kann man Tieren und Pflanzen eine ungestörte Ausbreitung ermöglichen, die für den genetischen Austausch  innerhalb der Art unerlässlich ist.

Globale Verantwortung

Der Schutz der Natur ist aber nicht nur eine Frage des nationalen Interesses, sondern auch der globalen Verantwortung. Eine möglichst große biologische Vielfalt ist von entscheidender Bedeutung für die Stabilität und Resilienz der weltweiten Ökosysteme. Viele Arten stehen in komplexen funktionellen Wechselwirkungen zueinander und erfüllen spezifische ökologische Funktionen. Der Verlust einer Art kann daher langfristig zu einem Ungleichgewicht führen, das sich letztendlich auf andere Arten und ihre gesamte Umwelt auswirkt; denn wie schon Alexander von Humboldt feststellte „hängt alles mit allem zusammen“.

Ökologisch wertvolle Flächen sind zur Mangelware in vielen Teilen Deutschland geworden. Selbst wenn sie unter Schutz stehen, ist eine Bebauung nicht unmöglich. Ihr Schutzstatus kann behördlich aufgehoben und der Eingriff durch fragwürdige "Ausgleichsmaßnahmen" kompensiert werden.
Ökologisch wertvolle Flächen sind zur Mangelware in vielen Teilen Deutschland geworden. Selbst wenn sie unter Schutz stehen, ist eine Bebauung nicht unmöglich. Ihr Schutzstatus kann behördlich aufgehoben und der Eingriff durch fragwürdige “Ausgleichsmaßnahmen” kompensiert werden.

Internationale Abkommen

Der Artenschutz in Deutschland basiert auf internationalen Abkommen, wie dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) oder der Berner und Bonner Konvention. Diese weit über die EU-Mitgliedsländer hinausreichenden völkerrechtlichen Vereinbarungen erkennen den nationalen Wert einer jeden gefährdeten Art an, unabhängig davon, wie häufig sie in anderen Ländern vorkommen mag.

Moralische Verantwortung

Der Natur- und Artenschutz ist auch ein Zeichen von moralisch-ethischer Verantwortung und ein Spiegelbild der Gesellschaft. Schließlich geht es um nicht weniger, als die Natur für zukünftige Generationen zu bewahren und ihnen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen. Indem wir Arten und ihre Lebensräume schützen, übernehmen wir Verantwortung für kommende Generationen.

Fazit

Der Natur- und Artenschutz liegt nicht nur im nationalen Interesse, sondern ist auch eine Frage der globalen Verantwortung. Ein wohlhabendes Land wie Deutschland kann und darf sich dem Naturschutz nicht durch “Beschleunigungsgesetze” und dem Abbau des Naturschutzrechts, wie derzeit praktiziert, entziehen.

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