Die Klassikbranche ist, trotz ihrer eigentlich immateriellen Produkte, sehr ressourcenintensiv. Um auf dem Karriere-Karussell oben zu bleiben, ist der Rollkoffer unentbehrlich. Unter der Rastlosigkeit der Stars leidet nicht nur die Umwelt, sondern zuweilen auch die künstlerische Qualität.
Watchblog-Glosse “Etscheits Alltagsstress”
Eigentlich feuchten sich die noblen Gäste der Salzburger Festspiele eher inwendig an: mit teurem Champagner. Doch letztes Jahr wurde es für manche Besucher des weltberühmten Festivals auch von außen ungemütlich nass. Es regnete nämlich kräftig hinein ins voll besetzte Große Festspielhaus.
Während eines abendlichen Klavierrezitals des russischen Pianisten Grigori Sokolow entlud sich ein ungewöhnlich ergiebiger Gewitterregen über der Festspielstadt. Innerhalb von gerade mal zehn Minuten gab es 14 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. “Das ist schon sehr viel gewesen und kommt nur selten vor”, erläuterte damals ein Mitarbeiter des Wetterdienstes.
Weil das Festspielhaus renovierungsbedürftig ist, war der Wassereinbruch fast programmiert Auch die Hinterbühne des benachbarten Hauses für Mozart war davon betroffen. Technikern gelang es schnell, das Loch zu stopfen. Nach einer kurzen Pause, in der Handtücher ans Publikum verteilt wurden, spielte Sokolow unbeirrt weiter.
Was der Meister damals vortrug, weiß ich nicht mehr, ich war auch nicht dabei. Das Klavierpoem “Nuages Gris – Trübe Wolken” von Franz Liszt wäre passend gewesen. Jedenfalls ist der Klimawandel nun allem Anschein nach auch bei dem renommierten Musik- und Theaterfestival angekommen.
Nach der eindringlichen Warnung des Wetter- beziehungsweise Klimagottes will der US-Regisseur Peter Sellars der Erderwärmung jetzt künstlerisch zu Leibe rücken. Bei der Vorstellung der Festspielsaison 2019 kündigte er kürzlich an, Mozarts Oper “Idomeneo” in den unterseeischen Ruinen der sagenhaften Stadt Atlantis zu inszenieren.
“Wir werden einen ‘Idomeneo’ im Zeichen der globalen Erwärmung machen, um zu zeigen, was es bedeutet, wenn der Meeresspiegel steigt”, hatte Sellars zuvor schon dem Österreichischen Rundfunk verraten. “Wir werden zeigen, was es bedeutet, wenn die Flutwelle auf uns zurollt und eine ganze Stadt auslöscht.”
Dass die Festspielgäste, die oft von sehr weit her kommen und bei den großen Premieren und sonstigen Events gerne standesgemäß in voluminösen Limousinen vorfahren, sich jetzt mit den möglichen Folgen ihres ausschweifenden Lebenswandels beschäftigen müssen, ist durchaus begrüßenswert. Doch auch die Festspielorganisatoren und die Künstler sollten sich an die eigene Nase fassen.
Sibirien, München und St. Petersburg an einem Tag
Denn die Klassikbranche ist, auch wenn sie es ja eigentlich mit immateriellen Produkten zu tun hat, sehr ressourcenintensiv. Wer auf dem internationalen Klassik-Karriere-Karussell oben bleiben will, für den jedenfalls ist der holpernde Rollkoffer als Dirigent, Solist oder Mitglied eines Orchesters oder Kammerensembles ein ebenso unentbehrliches Utensil wie das eigene Musikinstrument oder der Dirigentenstab.
Besonders toll im Musik-Jetset treibt es der russische Maestro Waleri Gergijew. Der bringt es fertig, irgendwo in Sibirien oder Tatarstan aufzutreten, um dann mit dem Privatjet just in time zum Abonnementkonzert mit seinen Münchner Philharmonikern an der Isar einzuschweben. Noch am gleichen Abend bricht er dann wieder nach St. Petersburg auf, wo er Chef des berühmten Mariinski-Theaters ist.
Unter dieser ubiquitären Rastlosigkeit leidet nicht nur die Umwelt, sondern zuweilen auch die Qualität seiner künstlerischen Ergebnisse. Deswegen fragte bei der jüngsten Salzburger Saisonpressekonferenz ein Journalist spitz, ob denn der Maestro, der nächstes Jahr bei den Festspielen eine Verdi-Oper dirigieren wird, auch genug Zeit zum Proben habe.
Wenn es um den Kunstgenuss (und die Karriere) geht, scheint Ökologisches eher eine Nebenrolle zu spielen. Jüngst echauffierte sich die in der Schweiz lebende Stargeigerin Patricia Kopatchinskaja in einem mit künstlerisch wertvollen Bildern schmelzender Gletscher illlustrierten Beitrag für das Hochglanzmagazin Max Joseph der Bayerischen Staatsoper darüber, wie wenig gegen die drohende Klimakatastrophe unternommen werde.
Ihr mit einer gehörigen Portion Empörung geschriebener Öko-Essay litt etwas unter der Tatsache, dass Frau Kopatchinskaja mit Hauptwohnsitz wohl in einer Flughafenlounge gemeldet ist. Hier ein paar Stationen aus ihrem Konzertkalender: Zürich, Berlin, Wien, Hamburg, Moskau, Washington, San Francisco, Rotterdam, Tokio, Sevilla, Bern, wieder Moskau, wieder Tokio, Cleveland, Berlin, Palermo, Montreal, Los Angeles, Baden-Baden, London, Amsterdam, Birmingham, Köln, München …
Zumindest hat die Staatsoper ihren Beitrag auf “umweltfreundlichem Bio Top Naturpapier” gedruckt.
Ah, jetzt erinnere ich mich. Sokolow spielte Haydn, Schubert und sechs Zugaben, darunter das Regentropfen-Prélude von Chopin.
PS: 1987 wurde die Oper “Nixon in China” des minimalistischen US-Komponisten John Adams uraufgeführt, ein ziemlich durchgeknalltes Stück über den spektakulären Besuch des Watergate-Präsidenten in Maos rotem Reich. Wäre es jetzt nicht Zeit für eine Merkel-Oper? Vielleicht “Merkel in Grönland” über die große Klimakanzlerin? Libretto von Robert Habeck, der ist doch Schriftsteller. Musik: Claudia Roth. Ist nur so eine Idee.
Dafür sollen die kleinen Leutlein mit ihren kümmerlich dotierten Jobs dreimal und öfter mit Bus und Bahn umsteigen, um zur Arbeit zu klommen und das zweimal pro Tag.
Hier wirken wirtschaftliche Mechanismen (siehe z.B. https://www.gaia-mbh.de/ ) und politische Machtblöcke
(siehe http://www.fr.de/rhein-main/hessenwahl/landtagswahl-in-hessen-gruene-sagen-ja-zu-koalitionsverhandlungen-mit-cdu-a-1622823 ).
Die Energiewende brachte bisher keine CO2-Emissionsminderung und wird auf absehbare Zeit dies auch nicht (siehe https://www.vernunftkraft-odenwald.de/grafiken-von-rolf-schuster-zur-energiewende/ ). Das ist systembedingt.
Die Diskussion, welcher Anteil an klimatischen Veränderungen nun menschengemacht sei, besonders durch CO2-Emissionen, führt also nicht weiter. Es geht eh auch um ideologischen Kampf – vergröbert gesagt zwischen Kapitalismus (weiter so, mehr davon) und Sozialismus (keine Macht den Kapitalmärkten).