Die Februarnacht war frostig, die Sträucher frisch gekappt und – oh Wunder – an den Schnittstellen hängen Eiszapfen! Wie ist das möglich? Bekanntlich steigt das Wasser nur auf, wenn die Blätter es verdunsten und so einen Sog erzeugen. Jedoch im Februar sitzen die Blätter zwar vorgeformt, aber noch fest verpackt in den Knospen. Es sind die Wurzeln. Im Frühling drücken die das Wasser nach oben und pumpen die Blätter in den Knospen auf, zum Teil vergleichbar mit dem Aufblasen eines Luftballons. Deshalb werden die Sträucher im Frühling schnell grün, manchmal fast über Nacht.
Die Wurzeln führen ein Leben im Verborgenen und werden daher oft vergessen und stiefmütterlich behandelt. Wer stellt sie schon in die Vase? Ausgegraben sehen wir nur einen kümmerlichen Rest ihrer wahren Größe.
Fast vergessen ist, dass der Botaniker Howard Dittmer schon 1937 herausfand, dass das Wurzelwerk einer einzigen vier Monate alten Roggenpflanze sage und schreibe 600 km lang ist! Seine Oberfläche ist bis zu hundert Mal größer als alle oberirdischen Teile. Mit dieser riesigen Oberfläche holt eine Pflanze das Wasser aus dem Boden und alles was sie an Mineralien braucht und was über die Nahrungskette letztlich in unseren Körper gelangt und ohne die wir nicht leben könnten. Zum Beispiel brauchen wir für unsere DNA, das ist unsere molekulare „Betriebsanleitung“, und für unsere molekulare „Energiewährung“ namens ATP (Adenosintriphosphat) täglich ein halbes Gramm Phosphor.
Wollten wir uns das selbst besorgen, müssten man pro Tag 5 bis 10 Tonnen Boden extrahieren! Oder 100 bis 200 g Gemüse und ein Schnitzel essen. Zu Nachlesen empfehle ich einen Text des Regensburger Botanikers Widmar Tanner in der Naturwissenschaftlichen Rundschau Nr. 12, 2016, Seite 657-658, den er dem bedeutenden Wurzelforscher Emanuel Epstein zum hundertsten Geburtstag gewidmet hat.