Ein Gastbeitrag von Ulrich Dittmann
Weihnachten steht vor der Tür und mancher, der schon „alles“ hat, sucht vielleicht gerade zu diesem Anlass etwas „Besonderes“ für sich und seine Lieben. Also vielleicht ein lebendes Geschenk unter dem Weihnachtsbaum? Zwar gerade von vielen Kindern gewünscht, ist dies aber oft unüberlegt und langfristig gesehen keine gute Idee. Denn je nach Tierart, ob Hund, Katze, Maus, oder gefiederter Zeitgenosse, muss man bereit sein, bis zu 15 Jahren oder mehr, sein Zuhause mit dem neuen tierischen Familienmitglied (hoffentlich sieht man es als dieses an!) zu teilen. Wenn, nach reiflicher Überlegung man sich dafür entscheidet, dann ist es sinnvoll ein solches aus dem Tierheim zu „adoptieren“ und keinesfalls beim Züchter zu kaufen, um das Geschäft mit der „Ware“ Tier nicht noch mehr anzukurbeln. Die Tierschutzorganisationen wissen wovon sie reden: Keine Spontanentscheidungen, denn es hat sich gezeigt, dass jedes Jahr gerade nach Weihnachten die Zahl der im Tierheim abgegebenen und ausgesetzten Tiere leider enorm steigt.
Die (hoffentlich!) stille, besinnliche Zeit jetzt vor Weihnachten ist gut geeignet sich einmal die Situation der Tiere, auch bei uns in Deutschland, etwas tiefgründiger vor Augen zu führen:
Schenkt man Politikeraussagen Glauben, ist alles in bester Ordnung. Haben wir hier doch „das beste Tierschutzgesetz der Welt“. Kenner der Materie sprechen hingegen von einem „Tiernutzgesetz“, das in der Praxis kein Tier vor Misshandlung schützt. Denn der Begriff „Tierschutzgesetz“ täuscht darüber hinweg, dass es leider eher Hauptanliegen des Gesetzes ist, gnadenlos die Ausbeutung von Tieren zu regulieren und letztlich auch zu legalisieren – als zu schützen.
Und wir gehören zu den tierfreundlichsten Ländern – sagt man. Denn es gibt viele Tierfreunde in Deutschland. Sehr viele. Sei es bei offiziellen Umfragen, oder in privaten Gesprächen, immer wieder wird von der Bevölkerung bekundet, wie sehr „tierlieb“ man doch sei. Es ist „in“, gehört heutzutage einfach zum guten Ton, sich demonstrativ zum Umweltschutzgedanken zu bekennen und ein Herz für Tiere zu zeigen. Doch wie tierfreundlich sind wir im Alltagsleben? Wie sieht es wirklich aus? Ist vieles vielleicht nur ein leeres Lippenbekenntnis?
So bezeichnet sich ein Tierexperimentator – tagsüber beschäftigt ätzende Flüssigkeiten in Kaninchenaugen zu träufeln – abends, bei einem Fernsehinterview, währenddessen er demonstrativ für die Kamera seinen schwanzwedelnden Hund streichelt, als Tierfreund. Nicht umsonst dürfen nach hochrichterlicher Entscheidung (OLG Düsseldorf RdL 1977, 42f. ) bei einer Haltungsform von Hühnern in Engstkäfigen, ihre Produkte als „KZ-Eier“ tituliert werden. Ein solches Gerichtsurteil hatte schon vor Jahren der bekannte „Tierprofessor“ Dr. Bernhard Grzimek erstritten. Doch der Betreiber einer solchen Tierhaltung, sieht sich auch als Tierfreund und schämt sich nicht zu versuchen diese widerliche Tierschinderei mit perfiden Ausreden zu verteidigen, „seine Hennen seien so vor natürlichen Feinden (Fuchs, Habicht) fürsorglich geschützt und legten wohlbehütet im Warmen ihre Eier“.
Man kann die Zwangs-Massenkasernierung von Tieren mit der Verslumung von Menschen in Katastrophengebieten vergleichen, wo dann auch nur noch mit hochdosierter Chemieanwendung der Ausbruch von Seuchen verhindert werden kann. Ein gesundheitlicher Katastrophenzustand ist bedingt durch die Vermassung bei vielen konzentrierten Tierhaltungen permanent gegeben. Reiter, die aus Ehrgeiz ihr „Sportgerät“ Pferd überanstrengen, ja sogar zu Tode schinden, Züchter jeglicher Couleur, die stolz oft zusätzlich Krüppel-Qualzuchten „kreieren“, oder letztlich nur für den Schlachthof die „Ware“ Tier vermehren, wie auch professionelle Tierhändler und Geschäftemacher und, und, und… – sie alle, alle geistern als „Tierfreunde“ durch die Statistiken.
Auch bei den Kleintierliebhabern ist der Schritt von der Tierliebe zur Tierquälerei nicht allzu groß. Meist aus Unkenntnis der tierischen Bedürfnisse, Gleichgültigkeit, oder sträflicher Dummheit vegetieren Vögel in zu kleinen Volieren, Fische in schlecht belüfteten, überfüllten Aquarien, und sind Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster, Hausratten oder Mäuse dem Halter nach der ersten interessanten Zeit langweilig geworden und werden nur noch notdürftig versorgt, bis ein gnädiger Tod sie in ihren Käfigen von ihren Leiden erlöst. Katzen werden wider besseres Wissen oftmals auch von „Tierfreunden“ aus blankem Geiz nicht kastriert – trotz Katzenschwemme, trotz unübersehbarem Katzenelend und immerwährender verzweifelter Appelle der Tierschutzvereinigungen. Der Hund hängt lebenslang an der Kette, oder kommt niemals aus dem Zwinger, oder dunklen Kellergewölben heraus – sein ‚Besitzer‘ sieht sich ebenfalls als Tierfreund, füttert er ihn doch, so etwas übriggeblieben ist, gewissenhaft mit Essensresten, gleich einer vierbeinigen Mülltonne.
Der deutsche Tourist, der mit dem Kauf einer Eintrittskarte die Barbarei des Stierkampfes in staubigen Arenen Spaniens unterstützt (Zitat: „ muss man doch gesehen haben, um mitreden zu können“) und anschließend im Schickeria-Restaurant genüsslich einen bei lebendigem Leib in kochendem Wasser zu Tode gequälten Hummer, oder in Konsistenz „Wagenschmiere“ ähnelnde Gänsestopfleber als „Delikatesse“ verspeist, mag sich möglicherweise auch als Tierfreund bezeichnen – hat er doch im heimatlichen Garten ein hübsches Vogelhäuschen aufgestellt.
Priester der Amtskirchen, Möchte-gern-Koryphäen der Nächstenliebe halten salbungsvolle Kanzelreden, tolerieren jedoch „politisch korrekt“ übelste Tierquälerei wie betäubungsloses Abmetzeln (Schächten) von Tieren, oder verherrlichen pharisäerhaft als Hege bezeichnetes Tun der Jagdgenossen und beweihräuchern in verfälschenden „Hubertusmessen“ mit heuchlerischem Brimborium das Töten von Tieren in Wald und Flur. Es ist schon schlimm, welch üble Fehler der liebe Gott bei seiner Schöpfung gemacht hat und neben bösartigem, konkurrierenden “Raubzeug”, wie Füchsen, streunenden Hunden, und Katzen, Grünzeug äsendem Rehwild, gar auch wühlende Wildschweine und andere störende Tiere schuf. All dieses Versagen muss die edle “Dornen”-Krone der Schöpfung im grünen Rock, nun mühsam mit Fallen, Schießeisen und über 1500 Tonnen Blei und Eisen jährlich ausbügeln. Mit im Jagdfieber zitternder Hand, werden so Tiere „angeschweißt”, krüppelig geschossen, sterben qualvoll mit zerfetzten Läufen und durchlöchertem Torso oft erst nach Wochen oder Monaten – keinesfalls bleiben die Tiere alle wunschgemäß “im Feuer” liegen. “Wir Jäger sind begnadete Menschen” formulierte so einst auch in überwältigend bescheidener Selbsteinschätzung Jagdautor Fritz von Forell.(‚Die Sache mit dem Waidwerk’, Seite 37, Dr. Horst Hagen/Herbig Verlag) Für diese lodengrün gewandeten, begnadeten Auserwählten, übertrifft wohl nur noch ihre Lust am Töten der Tiere, die Freude am vermeintlich so exorbitanten Wert ihres Menschdaseins.
So bastelt sich jeder nach eigenem Gutdünken (s)ein beliebiges Tierschutzverständnis zurecht und lässt beliebig Hornhaut auf seinem Empathieempfinden wuchern. Das Wort „Tierfreund“, sprich „Freund des Tieres“ wird zu leichtfertig gebraucht, ja vielfach missbraucht, stellt es doch im Sinne der Begrifflichkeit angewandt, eine hohen Anspruch. So ist es leicht und eigentlich selbstverständlich, dem im eigenen Haushalt lebenden Hund, oder der Katze, die artgerecht mit Familienanschluss gehalten werden, ein guter „Freund“ zu sein. Man mag dann ein Hunde- oder Katzenfreund sein.
Aber ist man deshalb schon ein Tierfreund? Hier ist ein großes Fragezeichen angebracht. Soll unsere Freundschaft, unser Mitgefühl zum Tier glaubhaft und ernsthaft sein, darf sie nicht selektieren und klassifizieren in Streichel-, Nutz-, Versuchs- und Pelztiere, wie es oft – zu oft – auch von manchen selbsternannten Tierfreunden geschieht. Denn Freunde nutzt man nicht aus, zieht ihnen nicht das Fell über die Ohren – und Freunde isst man übrigens auch nicht auf.
Denn “Fleisch ist kein notwendiger Bestandteil der menschlichen Ernährung.(…) Der Verzicht auf dieses Nahrungsmittel stellt keine unzumutbare Beschränkung der persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten dar.” Diese weisen Erkenntnisse stammen nicht etwa aus einem Vegetarierhandbuch. Sondern, man höre und staune – es sind Zitate die im Zusammenhang mit dem (nach hier importierten) grauenvollen betäubungslosen Schächten von Tieren, schwarz auf weiß in den Urteilsbegründungen des Oberverwaltungsgerichts Hamburg (Az. OVG Bf III 42/90 v. 14.09.1992) und dem Bundesverwaltungsgericht Berlin (Az. 3 C 31.93) nachzulesen sind. Hochrichterlich wird hier bestätigt was Mediziner, ernährungsbewusste Bürger und Tierfreunde schon lange wissen: Fleischessen ist absolut unnötig. Im Gegenteil, es ist bekanntlich maßgeblich verantwortlich für viele Krankheiten: Fettsucht mit infolge Kreislaufproblemen, Bluthochdruck, Schlaganfällen, Herzinfarkten, Diabetes, hohe Harnsäurewerte, Arthritis, Gicht usw.
Der Verzehr von Tierleichenteilen kann grundsätzlich nicht gesund sein – unabhängig von immer wieder bekannt werdenden Skandalen mit Salmonellen etc. und ekelerregenden halbverwesten Gammelfleischprodukten. Fleischessen ist unnötig wie ein Kropf und zweifellos nicht nur schädlich für das betroffene Tier. Zudem: Fleisch das auf Deinem Teller liegt – sich bald als Speckgürtel um deine Hüften schmiegt! Wer möchte schon als Tierquäler oder Tiertöter dastehen? Doch genau letzteres ist jedem Fleischesser indirekt vorzuwerfen. Denn die Nachfrage regelt das Angebot! Und Fleisch wächst bekanntlich nicht auf Bäumen – sondern wird als Massenware unter vielfach erbärmlichsten Bedingungen “erzeugt” und dann zu Billigstpreisen verramscht.
Der Begriff ‚Tierfreund‘ beinhaltet Verantwortung gegenüber aller Kreatur, gegenüber allen Tierindividuen und Arten, auch wenn sie uns persönlich nicht nahe stehen oder besonders sympathisch sind. Zur Verdeutlichung sei ein Beispiel angeführt: Wer zwingt uns das »Ekeltier« Spinne in der Wohnung totzuschlagen, anstatt das nützliche Krabbeltier zu fangen und unversehrt aus dem Fenster zu befördern? Ist es das Gefühl uns dabei lächerlich zu machen, oder nur Gedankenlosigkeit? Schon vor über 150 Jahren schrieb dazu Heinrich Heine: „Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten, aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen.“
Gefordert ist mehr ehrliches Tierschutzverhalten im Alltagsgeschehen. Glaubwürdigkeit misst sich weniger an hehren Absichtserklärungen oder markigen Lippenbekenntnissen – sondern am Verhalten. Edle Gesinnungsethik muss in Handlungsethik münden. Was nutzt ein Staatsziel Tierschutz (s. GG Art 20 a), wenn die Umsetzung dieser Verfassungsvorgabe durch eine Verweigerung der Bundespolitiker das Verbandsklagerecht auch für Tierschutzverbände einzuführen, brachial blockiert wird? Jedes „Nein“ eines Volksvertreters zu dem rechtstaatlichen Instrument „Verbandsklage“, entlarvt auch das unmissverständliche Nein dieses Politikers zum Tierschutz – und muss auch das Wahlverhalten eines jeden ernsthaften(!) Tierfreundes beeinflussen!
Überall im Alltagsgeschehen könnte ein wenig mehr Ernsthaftigkeit und Nachdenklichkeit den Tierschutz voranbringen. Das beginnt bereits beim Einkauf. Dr. Andreas Grasmüller, München, in einem Fernseh-Interview schon vor 30 Jahren: „Wenn alle Hausfrauen, die für sich in Anspruch nehmen Tiere zu lieben, keine Eier aus der Legebatterie kaufen würden, wäre das Problem der Hühnerkäfighaltung längst gelöst“. Die Nachfrage regelt das Angebot. Eier aus artgerechter Freilandhaltung sind mittlerweile überall erhältlich. Andernfalls fragen Sie konkret danach – auch bei anderen Produkten vom Tier – um den Händler zur Listung von möglichst qualfrei erzeugten Tierprodukten mit einem Bio-Siegel zu motivieren.
Wenn wir auf das Tragen von Fell-Bekleidung nach Neandertaler-Manier (auch betr. Accessoires, oder versteckt als Futter verarbeitet) verzichten, würden auch in diesem Bereich viele vollkommen unnötige Quälereien vermieden. Wir können uns heute im Zeitalter modernster Fertigungstechniken und Hightech-Materialien warm und elegant kleiden, ohne perverse Eitelkeiten auf Kosten von qualvoll in Fallen gefangenen Wildtieren, oder verkrüppelten Zucht“pelz“tieren befriedigen zu müssen. »Ein Pelzmantel soll Vornehmheit repräsentieren. Aber bei soviel Qual, Not, Blut der geschundenen Kreatur, enthüllt er eine ganz andere Mentalität – Gefühlskälte, Arroganz und nichts als eitle Dummheit. (Verhaltensforscher Vitus B. Dröscher)
Bei der Entwicklung immer neuer, für unser Wohlbefinden absolut überflüssiger Produkte aus den Chemieküchen, für Kosmetika, Putz- und Waschmittel, werden täglich tausende Tiere „verbraucht“. Sie leiden und sterben in den Laboratorien für Erzeugnisse die ohnehin in unüberschaubarem Überfluss auf dem Markt vorhanden sind. Dies müsste nicht sein, wenn der Verbraucher – sich seiner Verantwortung und Käufermacht bewusst – ausschließlich auf Naturprodukte, oder altbewährte Artikel zurückgreifen würde, die nicht (mehr) in Tierversuchen getestet werden. Positivlisten der Anbieter von tierversuchsfreier Kosmetika, sind u.a. bei PETA Deutschland e.V. einsehbar.
Schließlich im medizinischen Bereich: Wann werden wir angesichts vielfacher Arzneimittelskandale endlich begreifen, dass mit Veterinärmedizin-Wissen – gewonnen im Tierexperiment – Homo sapiens Gebrechen nicht kurierbar sind? Denn der Mensch ist keine Maus! Und gerade hier, wie auch bei den in der letzten Zeit in die Kritik gekommenen Gen-Manipulationen trifft besonders zu: Nicht alles was machbar erscheint, ist auch erlaubt. Moral und Ethik sind nicht nach Belieben teil- und anwendbar.
Lassen wir uns also bei unserem Einsatz für unsere tierischen Mitgeschöpfe – die wirklich Ärmsten der Armen – nicht beirren. Jeremy Bentham (1748-1832): “Wesentlich ist nicht die Zahl der Beine, die Behaarung, oder Farbe der Haut (…) Ein erwachsenes Pferd oder ein erwachsener Hund sind weitaus verständiger als ein Kind, das eine Tag eine Woche, oder sogar einen Monat alt ist. Doch selbst wenn das nicht so wäre, was würde das ändern? Die Frage ist nicht, können sie denken oder sprechen, sondern – können sie leiden?”
Tiere sind die Sklaven der heutigen Zeit. Und solange wir ihre Fesseln nicht lösen können, müssen wir zumindest ihre Ketten lockern, ohne natürlich das Ziel – die Befreiung aller unter der Knute der Menschen ächzenden Kreatur – aus den Augen zu verlieren. So ist Tierschutzarbeit heute mehr denn je traurige Notwendigkeit. Mitleid alleine genügt nicht – helfen ist wichtig!
Und jeder kann helfen auf seine eigene, ihm individuell mögliche Art und Weise. Sei es durch aktive Mitarbeit in der Tierschutzbewegung, oder durch finanzielle Unterstützung einer engagierten Tierschutzorganisation seines Vertrauens. Jeder Einzelne, jeder Tierfreund im rechten Sinne des Wortes – als Freund des Tieres – kann durch sein Verhalten seinen Teil dazu beitragen, Tierschutz mit mehr Leben zu erfüllen. Indem er verantwortungsvoll allen (!) Tierarten und Tierindividuen gegenüber handelt und gerade in Alltagssituationen – über den Tellerrand seines eigenen Bereiches hinaus – sich engagiert für das Recht und den Schutz unserer älteren, aber so hilflosen, Tiergeschwister einsetzt.
Ulrich Dittmann
Ulrich Dittmann ist von Jugend auf im Tierschutz aktiv. Er ist Mitglied im Arbeitskreis für Umwelt und Tierschutz – BAG gegen betäubungsloses Schächten.
Sein Credo lautet: “Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen” (George Orwell)
Ganz herzlichen Dank für diesen sehr umfassenden und in Mark und Bein treffenden Artikel zu einem der für mich dringlichsten und belastendsten Themen überhaupt.
Anfügen könnte man noch, dass jeder Tierhalter auch daran denken sollte, was er seinem geliebten Vierbeiner zu fressen gibt. Sprich, ob die Tiere, die er an sein Haustier verfüttert, lebenslang gequält wurden oder ob sie zumindest ein halbwegs artgerechtes Leben führen durften. Natürlich ist „Bio-Futter“ teurer, aber Tierliebe sollte nicht beim eigenen Tier aufhören! Und dass eine artgerechte Tierhaltung mit geringeren Tierbestandsdichten, Verzicht auf Antibiotika-Einsatz, chemiefrei erzeugten Futtermitteln etc. auch massiv zum Umweltschutz und damit Menschenschutz beiträgt, ist heute allgemein bekannt – wird aber politisch leider immer noch weitgehend ignoriert (siehe z. B. den jüngsten Skandal um Glyphosat). Wir sollten uns das als Bürger und Souverän nicht mehr länger bieten lassen!
Was uns fehlt in diesem Land der sich selbst beweihräuchernden Natur- und Tierfreunde, ist ein gesellschaftlicher Konsens über die Verankerung einer weit über den Anthropozentrismus hinaus geweiteten ganzheitlichen Ethik, einer Ethik der Mitgeschöpflichkeit, die Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit als Voraussetzung verinnerlicht hätte: eine Ethik der Bescheidung und des Erbarmens.
Die Hereinnahme aller natürlichen Seinsformen in den Kreis dessen und derer, die moralisch Belang haben, ist überfällig. Nicht bioegalitäre Gleichmacherei, sondern angemessene Differenzierung und Berücksichtigung der Differenz zum Außermenschlichen würde die Sonderstellung des Menschen überhaupt erst rechtfertigen: Das einzige Wesen in der von uns überschaubaren Welt, das reflektierte Verantwortung übernehmen kann. Die Dichotomie von Macht und Verantwortung gilt nicht nur im Zwischenmenschlichen. Macht über alles heißt Verantwortung für alles. Dies bedeutet keineswegs, die menschlichen Bedürfnisse auszublenden. Abe eine Unterscheidung zwischen künstlich geweckten Bedarfen und Bedürfnissen und zwischen existenziell und nicht existenziell notwendig wäre dringend. Was ist erlaubt im Umgang mit der Schöpfung?
Alle bisherigen Rechtsentwicklungen haben erkennbar nicht ausgereicht, die Gräuel gegen das außermenschliche Leben, ständige Willkür und erkennbaren Machtmissbrauch gegen die wehrlose Natur insgesamt einzudämmen.
Ulrich Dittmann hat alle wesentlichen Handlungsfelder gestreift, in denen dieser elende Machtmissbrauch der „Krone der Schöpfung“ Leid und Unheil bewirkt.
Es ist nicht so, dass nicht alle diese Missstände und Missbräuche längst bekannt, vielfach kritisiert und von einigen Wenigen engagiert bekämpft würden.
Unser Anthropozentrismus-Gesellschaftsvertrag aber wird von den Mehrheiten (auch juristisch) fest-geschrieben, dem Mainstream gehorchend von politischen Parteien verwaltet und zementiert, von Parteien, denen – einschließlich der GRÜNEN – Machterhalt und Macht-Teilnahme wichtiger als zukunftweisende Inhalte sind.
Die Sprengung des anthropozentrischen Denkrahmens aber wäre das zentrale Zukunftsprojekt für die Erhaltung des Planeten, für eine gerechte Teilung seiner Ressourcen auch mit dem außermenschlichen Leben.
Hans Jonas hat es 1979 in „Prinzip Verantwortung“ auf den Punkt gebracht:
„Nur das geschonte Leben offenbart sich“.