Von Gastautor Dr. Wolfgang Epple
Der Begriff Gleichschaltung ist in Deutschland seit der Zeit des Nationalsozialismus schwer belastet und für eine Anwendung selbst auf Teilbereiche heutiger Gesellschaftsphänomene eigentlich Tabu. Es ist jedoch nicht zu hoch bzw. zu weit gegriffen, sich an dieses deutsche Politik-Monstrum zu erinnern, wenn die beklemmende Entwicklung, die die sogenannte Energiewende für den bewahrenden Naturschutz in unserem Land ausgelöst hat, aus der Erfahrung des letzten halben Jahrhunderts betrachtet wird.
Was als vorgeblich kritischer „Report“ des höchsten für den Naturschutz zuständigen Amtes daherkommt und vorgibt, auf fundierter Forschung und etwa 40 laufenden Forschungsvorhaben zu beruhen, ist bei sorgfältiger Würdigung erkennbar als die vorläufige Spitze eines frösteln machenden Eisberges, der im Hauptstrom (Mainstream) von Klimaschutz und Energiewende dümpelt und die kritischen Köpfe aller bundesdeutschen für den Naturschutz zuständigen Behörden und der betroffenen Institutionen und profitierenden „Forschungseinrichtungen“ offensichtlich förmlich eingefroren hat: festgelegt zunächst auf die simple und falsche Gleichsetzung von Klimaschutz und Naturschutz, festgelegt auf grundsätzliche Zustimmung, auf Stillhalten, Gutheißen, Beschönigen und Rechtfertigen des bislang umfassendsten technischen Angriffes auf die Natur, einer zigtausend fachen Attacke der Industrialisierung und Technisierung unseres an Vorzugs-Landschaften und -Natur und den darin beheimateten Spezies noch immer reichen Landes in der Mitte Europas.
Überraschend ist dieser neueste Auswurf des Bundesbehördenkolosses keineswegs, denn in den vergangenen Jahren und Monaten war das BfN äußerst produktiv in Sachen vorgeblich kritischer Würdigung des Themenfeldes „Naturschutz und Erneuerbare Energien“.
„Naturschutz und Energiewende: Einklang ist möglich“, lautet unter „Aktuelles“ beim BfN nachlesbare Schlagzeile. Damit ist bereits alles gesagt, womit der Leser im frei zugänglichen 42-seitigen Konvolut anschließend beglückt wird. Bereits der Blick auf die jeweiligen Zusammenfassungen der Hauptkapitel und das nachgerade inakzeptabel fundiert kritische Veröffentlichungen ausblendende Literaturverzeichnis sprechen Bände für die in Wirklichkeit bestehende Tendenz und Einseitigkeit des hohen Bundesamtes, das inzwischen jeden Anspruch auf Glaubwürdigkeit riskiert (oder riskieren muss?), wenn es um die in der Realität verheerenden Auswirkungen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien auf Natur und Landschaft geht. Gezielter kann man kaum vorbeischauen und vorbeireden an den massiven Konflikten, die sich in der niederen Realität insbesondere um den Ausbau der Windkraftindustrie und den Anbau von „Bioenergie“ in der Kultur- und Agrarlandschaft entzünden. Alle in der Praxis ad absurdum geführten Rumpelstilzchen-Begriffe sind am Glaubensinhalt des „naturverträglichen Ausbaus“ orientiert vertreten, von „qualifizierten planerischen Konzepten“, „Zonierungen“, „Genehmigungsvorbehalten“, „sorgfältigen Einzelfallprüfungen“ usw. usf. ist die Rede – man möchte, wenn nicht schon verzweifelnd, aufschreien und fragen: Habt ihr nicht gehört, nicht gesehen, — fühlt ihr nicht(s)?
Papier ist geduldig, sagt man, und in der bundesdeutschen Behördensprache ist die Natur und Landschaft fressende Deutsche Energiewende endgültig zum Synonym der Weltrettung durch das vorbildliche und berüchtigt gründliche deutsche Verwaltungswesen umgedeutet.
Sogar ein bisschen verquaste Entwicklungspsychologie kann man nachlesen in diesem Umerziehungstext, wenn man sich die Abbildung 15 über die „Zustimmung zur Energiewende nach sozialen Milieus (Sinus-Modell (BMU&BfN 2018)“ zu Gemüte führt: Drei Hauptgruppen der Grundorientierung sind unterschieden, nämlich „Festhalten, Bewahren unter Tradition“, „Haben& Genießen bzw. Sein& Veränderung unter Modernisierung/Individualisierung“ und „Machen&Erleben bzw. Grenzen überwinden unter Neuorientierung“. Dann darf man im klugen Diagramm nachschauen, wie hoch die Zustimmungswerte für ein gesamtgesellschaftliches Umsturzprogramm nach Unter-, Mittel- und Oberschicht getrennt sind, – Zustimmungswerte für ein Energie- und Weltanschauungs-Umsturzprogramm, das bislang in keinem Mainstream-Medium auch nur annähernd adäquat aufbereitet wurde, sodass auf der Grundlage von Transparenz und Verstehen Urteile überhaupt angemessen und dem angeblich aufgeklärten Stand unseres Gemeinwesens entsprechend möglich wären. Wem das BfN die Stange hält, dürfte klar sein…Weitere „Vorhaben“ der inzwischen allgegenwärtigen Natur-Macher neuen Schlages sind garantiert.
Das vorliegende Konvolut jedenfalls wirkt wie ein weiterer Teil der (industriell gesteuerten?) Batterie von Nebelwerfern, die eine dringend notwendige Klar-Sicht auf das Teil-Vorhaben Energiewende innerhalb der „großen Transformation“ vereiteln helfen.
Der Naturschutz – spätromantisch bebrütet und doch selbst einst eines der Kinder der Moderne – wird nun vom Klimaschutz, seinem jüngsten und aggressivsten Geschwister, kannibalisiert (siehe Epple 2017: Windkraftindustrie und Naturschutz sind nicht vereinbar. Herausgeber Naturschutzinitiative e.V.).
Wir werden Zeuge des vielleicht größten Einschnittes in die Geschichte der kulturell erworbenen Frontstellung des Menschen zu seiner Herkunft, der Natur. Größer könnte der Hiatus zur eigenen Naturbürtigkeit nicht sein, gähnender nicht der Abgrund, an dem die „Bewahrer“ der Natur nun wie die letzten ihrer Zunft und wohl in aller Zukunft stehen. Das höchste deutsche Amt für den Naturschutz postuliert diesen „Schutz“ als nur machbar mit weiterer Technisierung, Industrialisierung und endgültiger Verhunzung des Schutzgutes. Ja mehr noch: Es erklärt diesen Industrialisierungsschub zur Conditio sine qua non für allen Natur- und Artenschutz.
Wie formulierte Peter Sloderdijk 2014 (in „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“, S. 53; Suhrkamp Verlag):
„Was würde geschehen, wenn die unzügelbaren Prätentionen der Raumforderer, der Projektemacher, der umwälzungsfreudigen Weltplaner nach dem Staat und dem Erdball griffen?“, und einige Zeilen weiter: „Die moderne Welt gehört dem Mysterium verwirklichter Aspirationen. Sie wird sich als eine Zeit erweisen, in der die Wünsche durch ihr Wahrwerden das Fürchten lehren.“
Der vorliegende Erneuerbaren-Energien-Report des BfN lehrt Kennern der Materie genau dieses.
Eine Analyse des BfN-Report, die einem die Augen öffnet und gleichzeitig jegliche Hoffnung raubt, dass von Regierungsbehörden eine objektive und kritische Bewertung der verheerenden Auswirkungen der Energiewende (insbesondere durch WKA) auf unsere Landschaften jemals erfolgen könnte!