Ich war und bin ein in der Wolle gefärbter SUV-Hasser. SUV? Das sind die Monsterautos mit den dicken Reifen und dem bullligen Kühlergrill, deren Beliebtheit beim automobilen Volk ungebrochen ist. Aber ich bin auch ein sozialer und mitfühlender Mensch. Und mittlerweile tun mir die SUV-Fahrer richtig leid. Die meisten haben sich so einen Panzer ja nicht gekauft, um die Leute zu ärgern oder Umwelt und Klima vorsätzlich zu schädigen, sondern, weil sie besser einsteigen können und man aus ihrem erhöht situierten Cockpit einen besseren Überblick über das Verkehrsgeschehen hat. Das schätzen, so liest man, vor allem ältere Menschen, die sich offenbar besonders oft einen SUV zulegen.
Nach dem schrecklichen Unfall in Berlin, bei dem ein SUV-Fahrer aus bislang ungeklärter Ursache – möglicherweise erlitt der Fahrer einen epileptischen Anfall – vier Menschen getötet hat, sind SUV-Besitzer mächtig unter Beschuss geraten. Zu allem Überfluss war es auch noch ein Porsche! Zwar kein Grusel-Cayenne, sondern „nur“ ein „Macan“, also ein Möchtegern-SUV wie der Tiguan oder der RAV4 von Toyota. Ich meine, wenn schon, denn schon. Wer sich einen SUV zulegen möchte, sollte mindestens an einen Audi Q8 denken oder einen VW Touareg.
Jetzt wird über einschneidende Maßnahmen diskutiert, von einer SUV-Quote, höheren Steuern für große Autos bis zum Totalverbot gleich aller Privat-Pkw in den Großstädten. Andere halten dagegen, warnen vor einer Hetzjagd auf SUV-Fahrer oder Verbotsorgien. Heute morgen übrigens sah ich an einem wirklich sehr großen SUV, der immer vor unserem Haus parkt, Reste eines Aufklebers, den der Besitzer offenbar ablösen wollte. Wahrscheinlich war das eine jener nicht sehr freundlich gemeinten Botschaften von Klimaaktivisten, die gerade die Runde machen mit Sprüchen wie: „Braucht das Ego so eine Protzkarre?“ Oder: „Klimawandel juckt mich nicht.“
Ich denke, es ist Zeit, aus der Diskussion mal die Luft herauszulassen. Wie Unfallforscher zu Protokoll gegeben haben, hätte der Berliner Horrorunfall auch mit jedem anderen Auto passieren können. Und jetzt alle SUV-Fahrer in Mithaftung zu nehmen, grenzt an automobilen Rassismus. Ganz klassisch: Man überträgt einen Einzelfall auf eine ganze Gruppe. Hoffentlich werden nicht bald Geländewagenbesitzer durch die Straßen gejagt oder ihre Autos angesteckt. Da käme sogar mein rabenschwarzer Humor an seine Grenzen. Leute, lasst die Karre im Dorf!
Außerdem brauche ich SUVs. Wenn die jetzt wirklich verboten würden, käme mir eines meiner bevorzugten Hassobjekte abhanden. Und ohne irgendwas zu hassen, lebt sich schlecht in der „Alles gut“-Gesellschaft. Ich müsste mich dann vielleicht auf E-Scooter verlegen, die mir unterdessen mächtig auf die Nerven gehen, weil es eigentlich nur brandgefährliche Party-Roller sind, die der Umwelt rein gar nichts nützen.
In Frage kämen auch Lastenfahrräder, junge Männer mit Bärten und Baseballkappen oder vegane Eisesser. Vor allem junge Männer mit Bärten und Baseballkappen auf E-Scootern, die telefonieren und simultan veganes Eis essen. Ziemlich heftig hasse ich natürlich Coffee-to-go-Konsumenten, übrigens auch solche mit Mehrfachbechern. Warum kann man seinen Kaffee eigentlich nicht zu Hause trinken? Amazon käme hassmäßig auch in Betracht, aber leider braucht man die manchmal, weil es zum Beispiel ausgesprochen schwer ist, in einem normalen Geschäft eine Handytasche aus Leder zu bekommen. Zumindest in der von mir benötigten Größe.
Speziell hier in München hasse ich das Oktoberfest, das bald wieder beginnt. Und vor allem die Leute, die sich dafür in Asien produzierte Lederhosen und Dirndl anziehen. Das wäre aber nur ein Saison-Hass und nicht geeignet, SUVs ganzjährig zu ersetzen. Ich hasse darüber hinaus Junggesellenabschiede, überhaupt Touristen aller Art, Drohnen, Sachen “zum verschenken” vor der Haustür (die Bürgersteige sind ja kein ständiger Flohmarkt) die Deutsche Bahn, insbesondere die Münchner S-Bahn, Handys, vegane Schnitzel von Müllers Mühle, Windräder, rücksichtslose Fahrer von Lieferdiensten, die mit E-Bikes die Straßen unsicher machen, wie ich überhaupt E-Bikes hasse, die einem jetzt auch im Hochgebirge überall in die Quere kommen.
Ah, jetzt fällt mir etwas ein. Tesla-Fahrer mit Gratis-Parkplatz an der E-Ladesäule – die hasse ich fast noch mehr als SUV-Fahrer. Die Autos sind oft noch schwerer als mancher Geländewagen, sie haben extrem umweltschädliche Batterien an Bord und schnappen mir einen schönen Parkplatz weg, den ich für meinen äußerst sparsamen Polo-Diesel gebrauchen könnte. Ja das wär vielleicht ein Ersatz, falls es den SUVs an den Kragen geht. Ich hab sogar schon mal mit dem Gedanken gespielt, so einem Teil einfach den Stecker rauszuziehen.
Der Begriff Hass ist ein starker emotionaler Begriff. Es wäre schlimm, wenn wir immer nur in dieser Schablone denken würden. Ich muß zugeben, manchmal habe ich auch einen Prass auf irgendetwas, z.B. wenn ein SUV-Fahrer im Parkhaus gleich zwei Plätze in Anspruch nimmt. Aber dann sage ich mir “Übe Dich in Toleranz”.
Klasse Artikel!! Die laufende Diskussion grenzt nicht nur an automobilen Rassismus, nein sie ist es auch. Insbesondere der Anlass bzw. Auslöser der Diskussion ist ganz offenbar gezielt als False Flag gewählt worden, um von den wahren Problemen in der Gesellschaft ablenken zu können. Und vor allem auch, um nicht Roß und Reiter im Berliner Unfall nennen zu müssen. Der ganze Hipe um diesen Fahrzeugtyp ist symptomatisch für die bereits überraschend weit vorangeschrittene Dekadenz der deutschen Gesellschaft. Allein eine höhere Besteuerung dieser Monsterwagen bewirkt etwas. Alles andere ist Unfug!