Die Gelbwesten, die Ökologie und die soziale Frage

 „Wird Ökologie zur sozialen Frage“? Das fragte sich kürzlich bang die linksgrüne taz und traf damit, wohl ungewollt, ins Schwarze. Der Berichterstatter der Zeitung bezog sich in seinem Artikel auf die teilweise gewalttätigen Proteste der „gelben Westen“ in Frankreich und Belgien, die sich bekanntlich an der Erhöhung der Treibstoffpreise durch die Regierung Macron entzündeten. Macron will damit vorgeblich die Abkehr von den fossilen Treibstoffen einleiten. Allerdings soll nur ein geringer Teil der zusätzlichen Steuereinnahmen in die Ökowende fließen, der Löwenanteil soll dem allgemeinen Staatshaushalt zugute kommen.

Jetzt geht bei den kompromisslosen Verfechtern einer technokratischen Energiewende offenbar die Angst um, dass das Jahrhundertprojekt zur Rettung des Planeten vor der Klimakatastrophe in die Mühlen sozialer Auseinandersetzungen geraten könnte. Der Klassenkampf sei zurück, kommentiert die SZ-Frankreichkorrespondentin Nadia Pantel und befürchtet, dass weniger die „gemäßigte Linke“ als die „nationalistische Rechte“ von der Rückkehr längst verschollen geglaubter Politgespenster profitieren könnte.  Wenn Pantel anfügt, dass es Unsinn sei, hier von anti-ökologischen Protesten zu sprechen, klingt das wie Pfeifen im dunklen Wald. Es gehe nämlich nicht um die Frage, ob man für oder gegen eine Umweltpolitik sei, sondern darum, „wer diese Politik finanzieren soll“.

Auch wenn der Ursprung der „gilets jaunes“ in Macrons „Ökosteuer“ liegt, kann mit einer gewissen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das Umweltthema bei ihnen so gut wie keine Rolle spielt. Menschen, denen das Geld fehlt, um die nächste Tankfüllung zu bezahlen, dürfte das Klima am Arsch vorbeigehen. Zugunsten der geschundene Umwelt oder das Klima verzichten kann nämlich nur der, der etwas zum Verzichten hat. Und wer sich mit zwei oder drei prekären Jobs mühsam über Wasser hält, wird wenig Zeit und Lust verspüren, zwecks sortenreiner Trennung jedes Aludeckelchen vom Jogurtbecher einzeln abzuspülen oder im Biomarkt für acht Rollen öko-korrektes Klopapier 5 Euro zu zahlen, wenn es woanders ein Fünftel kostet.

Leider ist Ökologie, wie man am Erfolg der grünen Wohlfühlpartei in Deutschland sieht, immer noch – oder sogar mehr denn je – ein Anliegen der Besserverdienenden. Um das zu erfahren, braucht man nur eine der Hochburgen jener Ökobourgeoisie besuchen, die nicht nur von den Grünen, sondern auch von CDU, SPD, FDP und neuerdings sogar der CSU als Wählerreservoir umworben wird.  

Dieser auch in den Medien Ton angebenden Klientel liegt das Leben außerhalb ihrer städtischen Komfortzone mit all seinen Infrastruktur bedingten und sonstigen Widrigkeiten ferner denn je. Die realen Probleme der Normalbevölkerung wirken sehr, sehr klein, wenn man gerade im Flieger in den Ökourlaub nach Patagonien düst.

Fürs eigene gute Gewissen stellt man den tumben Landbewohnern dann Tausende von Windrädern vor die Tür, die ihnen die Heimat rauben und den Schlaf und das sauer ersparte Häuschen wertlos machen. Hunderte von Bürgerinitiativen in ganz Deutschland kämpfen erbittert gegen immer neue Windparks, eine Bürgerbewegung, die diesen Namen wirklich verdient hat, aber von den Medien totgeschwiegen wird.

Macron soll den erzürnten Gelbwesten zu Anfang der Proteste empfohlen habe, sich statt des immer teureren Diesels doch ein E-Mobil zuzulegen. Das erinnert ein wenig an jene der französischen Königin Marie Antionette zugeschriebenen Äußerung, das hungernde Volk möge, wenn es kein Brot habe, doch Kuchen essen. Seither ist das Zitat der später enthauptete Monarchin, sei es nun wirklich gefallen oder nicht, Sinnbild jener Arroganz der Mächtigen, die die Menschen vor Wut kochen lässt.

Heute in Frankreich und in Belgien, morgen vielleicht in Deutschland. Womöglich werden es keine schnöden technischen oder ökonomischen Probleme sein, die die „Energiewende“ und die grüne Wohlfühlpolitik zu Fall bringen, sondern die gute, alte soziale Frage. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

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