Enoch zu Guttenberg

Trauer und ein bisschen Politik – Bewegendes Gedenkkonzert für Enoch zu Guttenberg in München

Libera me! – Errette mich. Pianissimo haucht der Chor die letzten Worte aus Giuseppe Verdis „Requiem“ in den Raum. Dann, minutenlange Stille. Rechts am Bühnenrand ein Foto Enoch zu Guttenbergs auf einer hölzernen Staffelei, links, tief in sich versunken, die Sopranistin Susanne Bernhard. Mit ihr verband Guttenberg, der im Juni mit nur 71 Jahren gestorben ist, eine letzte, erfüllende Liebe. Die beiden waren schon verlobt, zur Heirat kam es nicht mehr.

Endlich senkt Dirigent Kent Nagano seine Arme und ein Jubelsturm bricht los, minutenlang. Die Ovationen gelten der Klangverwaltung, Guttenbergs langjährigem Orchester, sie gelten dem prächtigen Solistenquartett – neben Bernhard sangen Anke Vondung (Alt), Sun Min Song (Tenor) und Tareq Nazmi (Bass) – und dem einstigen Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper und heutigem Musikchef der Hamburgischen Staatsoper, der eigens aus Montreal eingeflogen war.

Vor allem jedoch gelten sie der Chorgemeinschaft Neubeuern, jenem Ensemble, das Guttenberg von einer ländlichen Liedertafeln zu einem weltweit beachteten Klangkörper („Das Wunder von Neubeuern“) formte. Die Damen und Herren in Dirndl und Trachtenjanker hatten bei diesem von der Familie Guttenberg im Herkulessaal der Residenz veranstalteten Gedenkkonzert nach fast genau 51 Jahren ihren letzten Auftritt. Unter den mehr als tausend geladenen Gästen waren die Ex-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und Günther Beckstein, der frühere Bundesinnenminister Otto Schily und Herzog Franz von Bayern.

Zur Guttenbergs Beerdigung auf dessen Schloss in Oberfranken war auf ausdrücklichen Wunsch des Verstorbenen auf Trauerreden verzichtet worden. Diesmal hatten dem Vernehmen nach gleich mehrere Dutzend Familienangehörige, Freunde und Wegbegleiter ihren Wunsch angemeldet, dem großen Dirigenten und Umweltschützer ein paar Worte hinterherzuschicken. Das wäre dann doch zu viel der Ehre gewesen, weswegen man sich auf vier kurze Ansprachen beschränkte.

Den Anfang machte Karl-Theodor zu Guttenberg, Enochs ältester Sohn und frühere Wirtschafts- und Verteidigungsminister, der über eine plagiierte Doktorarbeit sein Amt verloren hatte und jetzt die meiste Zeit in den USA lebt. Seine von respektvoller Ironie durchzogenen Rede war alles andere als eine Eloge und man ahnte, wie schwer es Enoch zu Guttenberg, kompromisslos in jeder Lebenslage, es oft sich selbst und seinen Mitmenschen gemacht haben musste. Guttenberg versuchte, die zahllosen Facetten des Vaters mit Gegensatzpaaren zu charakterisieren: Intellektueller und Kindskopf, Revoluzzer und Westentaschenmonarch, radikaler Ver- und Entzauberer, der in seinen Konzerten „Gottesbeweise“ geschaffen habe, um sie sofort wieder zu verwerfen. Ein Mann, der nie habe gefallen, nur überwältigen wollen. Der ein Leben geführt habe, „gnadenlos kurz wie gnadenreich erfüllt.“

Enoch zu Guttenberg gastierte mit der Chorgemeinschaft Neubeuern und demOrchester der KlangVerwaltung München im Mai 2014 in Weiden. Der Erlös des Benefizkonzertes mit dem Titel „Requiem für eine Heimat“ kam dem Naturschutz in Bayern zu Gute.
Enoch zu Guttenbergs Engagement für den Naturschutz war gewaltig. So gastierte er beispielsweise mit der Chorgemeinschaft Neubeuern und dem Orchester der KlangVerwaltung im Mai 2014 in Weiden. Der Erlös des Benefizkonzertes mit dem Titel „Requiem für eine Heimat“ kam dem Naturschutz in Bayern zugute. © VLAB

 

Philipp zu Guttenberg, Karl-Theodors jüngerer Bruder und heutiger Chef des Hauses, nahm sich vor allem des Umweltschützers Enoch zu Guttenberg an, würdigte seine wortmächtigen Philippiken unter anderem gegen die Verheerung der deutschen Landschaften durch die Windindustrie. Deutlich wie vielleicht noch nie zuvor machte sich der Sohn, der als Präsident der „Arbeitsgemeinschaft deutscher Waldbesitzerverbände“ (AGDW) als einflussreicher Vertreter der deutschen und europäischen Forstlobby agiert, die kompromisslose Haltung seines verstorbenen Vaters zur „Energiewende“ zu eigen. Er geißelte die „monströsen Windkraftanlagen“ und die „Lüge der gegenwärtigen Energiewende“, wohl wissend, dass nicht wenige Mitglieder seines eigenen Verbandes mit der Verpachtung ihrer Waldflächen für die Windindustrie gute Geschäfte machen.

Mit dem oberbayerischen, poltmäßigen Charme von Hildegard Eutermoser, der langjährigen Leiterin des „Musikbüros Enoch zu Guttenberg“ in Neubeuern, eine Mischung aus Konzertagentur und Privatsekretariat, konnten aber auch der wortgewandte Ex-Minister, sein rhetorisch nicht weniger begabter Bruder Philipp und der Philosophieprofessor Franziskus Freiherr Heereman von Zuydtwyck, auch er ein Verwandter Enochs, am Rednerpult nicht mithalten. Eigentlich habe er, erzählte die „Euti“, nur ein paar Jahre bleiben wollen, der junge Baron, den sie in Neubeuern immer den „Guttei“ nannten. Dann habe es sich aber bekanntermaßen „länger hingezogen“. Ein halbes Jahrhundert blieb man zusammen, feierte Erfolge in mehr als 600 Auftritten, feierte rauschende Feste, betrank sich, lachte, weinte, trauerte. Ja, manchmal habe es auch mächtig gekracht in den Proben, erzählt Eutermoser. Wie ein Rumpelstilzchen habe er getobt. Aber am anderen Tag habe er sich dann entschuldigt und alles sei wieder gut gewesen. Eigentlich sei er immer auf der Suche nach der heilen Welt gewesen. Und ein großes Herz habe er gehabt, der Baron. Guttei und Neubeuern, das „Phämon“, wie mal ein Chormitglied wortschöpfte . Da gab es bei aller Trauer auch ein paar befreite Lacher im Saal. „Du gehst uns allen furchtbar ab“, schloss die Euti, „aber unsere Gedanken und unsere Herzen sind immer bei Dir.“

Ein Gedanke zu „Trauer und ein bisschen Politik – Bewegendes Gedenkkonzert für Enoch zu Guttenberg in München“

  1. „Ich kann und werde bei aller Sympathie für alternative Energien meine Hände nicht in eine, und sei es auch nur vage, Nähe zu jenem Geldfass recken, das die Grundbelange des Natur- und Denkmalschutzes, so wie wir sie damals dachten, korrumpiert.
    ……
    Mir jedoch bleibt hier nur eine vage Hoffnung: dass die Invasion der Riesen vom Berge doch noch am verschwindend Kleinsten dieser Welt, nämlich an der Mikrobe menschlicher Vernunft, verenden könnte. Diese Hoffnung aber gebe ich – wider besseres Wissen – nicht auf.“

    Das waren die Worte eines großen und aufrechten Streiters für Natur und Kultur Baron Enoch zu Guttenberg

    Kultur als prägendes Moment für den Horizont des Menschen.
    Für seine Weltanschauung, für seine Empfindsamkeit. Kultur macht den Menschen aus. Kultur prägt den Umgang des Menschen untereinander. Kultur zeigt sich auch im Umgang des Menschen mit der Natur.

    Natur und Kultur sind eins, sind begreifbar als Seeleninhalt.
    Wir denken, in seinem Leben hat er diesem, seinem Seeleninhalt Form und Ausdruck gegeben. Sicherlich auch in der Hoffnung, dass dieser Inhalt, diese Empfindungen, in anderen Menschen weiterleben mögen.

    Der plötzliche Tod von Enoch zu Guttenberg hat uns überrascht und traurig gemacht
    Wir sind dankbar, über die Begegnung mit Ihm und tragen die Traurigkeit über den Verlust eines Mitstreiters und Freundes in uns.

    Seine Hoffnung auf das verschwindend Kleinste dieser Welt wird – auch wenn alles Wissen entgegensteht – in unseren Herzen und in der Hoffnung bleiben.

    Wir, die wir ihm begegnen durften, werden es, das Kleinste, in uns und weitertragen.

    In Dankbarkeit für seinen unermüdlichen Einsatz

    Mitglieder und Freunde des Vereines Mensch Natur e.V.

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