Mein Bildschirmschoner präsentiert mir jeden Tag andere schöne Landschaftsimpressionen. Heute war es eine sattgrüne Fjordlandschaft, irgendwo im Norden. Man kann raten, wo das ist, eine Art Onlinequiz. Doch ich mach da nicht mit, weil man wahrscheinlich auf irgendeine Reiseseite gelotst wird und was kaufen soll.
Diese schönen Fjordlandschaften würde es wohl nicht mehr geben, wenn Deutschland weiter so unbeirrbar voran marschiert bei der Klimarettung. Weil wir die Fjorde dringend brauchen, um unsere überschüssige Wind- und Solarenergie zu speichern. Schließlich heißt es doch immer, Skandinavien sei die „Batterie Europas“.
Dass die Sache mit der Monster-Batterie sehr viele Haken hat, das hat Nikolai Ziegler von Vernunftkraft gerade sehr schön aufgeschrieben. Aus dem lesenswerten Beitrag geht unter anderem hervor, dass die Norweger ihre mit Wasserkraft erzeugte Ökoenergie erstmal selbst brauchen und derzeit so gut wie keine Kapazitäten haben, um auch noch deutschen bzw. mitteleuropäischen „Ökostrom“ zu bunkern, damit wir ihn abrufen können, wenn uns gerade danach ist.
Eine weitere Frage wäre, ob die Norweger überhaupt ein gesteigertes Bedürfnis daran haben, für uns auf Batterie zu machen. Dafür müsste nämlich das schöne Land, an dessen zerklüftete Gestade wir so gerne mit dem Kreuzfahrtschiff reisen, vollkommen umgekrempelt werden.
Viele Gewässer, inklusive der Fjorde, müsste man in Pumpspeicherkraftwerke umwandeln oder integrieren. Solche Speicher gibt es nämlich, entgegen landläufiger Vorstellungen, dort erst in sehr geringer Zahl gibt. Aber auch das würde hinten und vorne nicht reichen, um den Speicherbedarf eines Industrielandes wie Deutschland zu decken. Oder gar Europas.
Ich nenne solche Pläne öko-kolonialistisch. Die Landschaften anderer Länder für unsere Ökostromzwecke zu verbauen, ist keinen Deut besser als das Landgrabbing in Afrika, das man immer den Chinesen vorwirft. Im Zweifel gegen den Willen der lokalen Bevölkerung, wie das Beispiel der Münchner Stadtwerke zeigte, die an der norwegischen Küste gegen den Willen der Mehrheit der dort lebenden Menschen einen Windpark bauen, um der Schwabinger Öko-Bougeoisie zu einem guten Gewissen zu verhelfen.
Deutschland präsentiert sich wieder mal als „Volk ohne Raum“ auf Weltrettungsmission. Harald Lesch meinte gerade in einem keineswegs überraschenden, aber dennoch hörenswerten Podcast, dass es in Deutschland schlicht und einfach viel zu wenig Platz gäbe, um unsere Ökostromträume zu erfüllen. Wir bräuchten, so rechnete der eloquente Fernsehprofessor vor, Onshore-Windkraft auf der Fläche Baden-Württembergs, Offshore-Windkraft auf der Fläche Schleswig-Holsteins, Freiflächen-Fotovoltaik auf der Fläche Berlins und des Saarlandes zusammengenommen, dazu so viel Tiefen-Geothermie wie möglich, Fotovoltaik bzw. Solarthermie auf allen Dächern und dazu die Hälfte des jährlichen deutschen Holzertrages und alle landwirtschaftlichen Reststoffe. Nikolai Ziegler kam allein auf 160 000 Windkraftwerke neuester Bauart und 4000 Quadratkilometer Solarfläche. Viel Holz.
„Da wäre alles zugekachelt“, sagte Lesch. „Wir hätten dann Energie, aber was wäre das für ein Land? Touché, Herr Professor. Nur doof, dass Deutschland so klein ist und eingezwängt von anderen Ländern, die nicht immer genau das machen, was wir wollen. Wir sind eben ein „Volk ohne Raum“. Doch was ein Volk ohne Raum macht, darin haben wir ja Expertise. Man erobert sich neuen Raum. Diesmal eher nicht im Stechschritt mit Schaftstiefeln und Panzern, sondern mit dem Scheckbuch. Auch damit haben wir ja Erfahrung. Geschichte wiederholt sich, wenn auch con variazioni.